Auf der Bühne des Gemeindesaals kamen sich Flüchtlinge und Deutsche näher. Foto: Gogol

Auf der Bühne des Gemeindesaals kamen sich Flüchtlinge und Deutsche näher. Foto: Gogol

Als Redakteur bei einem Termin schaut man zu, macht Fotos, versucht mit ein paar Anwesenden zu sprechen – nach einer Stunde ist man meist fertig. So habe ich mir das auch für den Playback-Theater-Workshop für Flüchtlinge und Deutsche im Gemeindehaus der Paulusgemeinde in Zehlendorf gedacht. Doch ich habe die Rechnung ohne Professor Dr. Wolfgang Wendlandt gemacht. Vom Zuschauen hält der Workshop-Leiter nicht viel. Mitmachen ist angesagt. Und so finde ich mich plötzlich stehend im Raum wieder, werfe mir mit unbekannten Menschen kleine Bälle und Quietschetiere zu, gebe ein Klatschen weiter und halte ein Stück Wolle in der Hand. Immerhin gibt es die Möglichkeit zum Gespräch – bei einem weiteren Kennlernspiel. Die Flüchtlinge bilden einen Kreis, in der Mitte bilden die Deutschen einen Kreis, dann laufen sie in umgekehrter Richtung bis ein Signal ertönte. Der Gegenüber ist dann für ein paar Minuten der Gesprächspartner. Und so spreche ich mit einer Künstlerin aus Serbien, die seit zwei Jahren in Deutschland wohnt, tausche mich mit einem 33-jährigen Kameruner, der seit vier Monaten in Berlin ist, über unsere Fremdsprachenkenntnisse aus und höre einem 17-jährigen Syrer zu, der allein nach Deutschland geflüchtet ist und hofft, dass seine Familie ihm folgt.

Als Wendland auf der Bühne damit beginnt, Musik zu machen und Instrumente an die Workshop-Teilnehmer verteilt, stelle ich überrascht fest, dass die Stunde, die ich Zeit hatte, bereits vorüber ist. Ich nutze die Gelegenheit, um Fotos zu machen und zu gehen. Für die Workshop-Teilnehmer hingegen geht der Spaß erst los und dauert noch fünfeinhalb Stunden, inklusive Mittagspause.

Die Zeit habe man hauptsächlich auf der Bühne verbracht, erzählt der Psychologische Psychotherapeut Wendtland mir ein paar Tage später am Telefon. Eine der schönsten Übungen sei das neutrale Stehen gewesen, das gelinge keinem. Am Ende hätten alle lachend auf der Bühne gestanden. Bewegend sei es gewesen, als eine der Workshop-Teilnehmerinnen ihre Mutter spielte, während diese ihre Tochter darstellte. Die größte Herausforderung aber wartete für alle Workshop-Teilnehmer vor der Mittagspause. Auf Tellern wurden mehrere Steine gelegt, Zweierteams, jeweils aus einem Flüchtling und einem Deutschen sollten diese auf der Straße verteilen. Dabei wurde man mit den Reaktionen der Passanten konfrontiert, auch Vorurteilen. Darüber wurde in der Gruppe gesprochen, anschließend wurden die Gefühle, die man dabei hatte, auf der Bühne gezeigt.

Bei diesen und weiteren Übungen an diesem Nachmittag ging es vor allem darum, miteinander ins Gespräch zu kommen, sich näher zu kommen, Verständnis zu wecken und sich zu zeigen, sagt Wendlandt, der diese Form des Theaters, das Improvisations- und Playbacktheater, schon seit Jahren in verschiedenen Konstellationen erprobt hat. „Wenn die Flüchtlinge auf der Bühne stehen und spielen, dann brauchen sie den Mut sich zu zeigen, sie müssen aus dem Schweigen und aus der Angst herauskommen“, sagt Wendlandt und ergänzt: “Die Bühne macht einen selbstbewusster, man steht zu sich.“

Angefangen, Playbacktheater für Flüchtlinge und für Flüchtlinge und Deutsche anzubieten, hat Wendlandt vor einem Jahr in der Asylbewerber-Unterkunft an der Klingsorstraße. Dort hatte sich sogar eine kleine, feste Gruppe herausgebildet. Dann folgte der Umzug in die Villa Folke Bernadotte. Bei den Workshops dort seien meist mehr Helfer gewesen als Flüchtlinge selbst, erinnert sich Wendlandt. Aufführungen im Herbst vergangenen Jahres waren gut besucht.

Nun erfolgte der nächste Umzug, in die Paulusgemeinde, wo ab 4. Februar sich jeden Donnerstag eine feste Playbackgruppe von 16.30 bis 19 Uhr treffen wird, zunächst für drei Monate. Am Ende soll eine kleine Performance stattfinden. Ziel soll es sein, dass Flüchtlinge und Einheimische nicht nur miteinander in Kontakt kommen, sondern sich auch außerhalb der Gruppe treffen, gemeinsam etwas unternehmen, sich gegenseitig einladen, sagt Wendland. das wäre dann wirklich Integration.

(go)