An großen Tafeln werden die Geschichten der Unternehmen vorgestellt. Foto: Gogol

Es sei  Kapitel deutscher Geschichte, das vielen unangenehm sei, weil von ihm vor allem Nachbarn und einfache Gewerbetreibende profitierten, so Bezirkstadträtin Cerstin Richter-Kotowski bei der Eröffnung der neue Ausstellung in der Schwartzschen Villa. „Verraten und verkauft – Jüdische Unternehmen in Berlin, Steglitz und Zehlendorf 1933 bis 1945“ heißt die Schau, die sich mit der Arisierung jüdischer Unternehmen beschäftigt.

Es ist erst wenige Wochen her, dass der Pogromnacht vor 74 Jahren gedacht wurde. Und auch wenn viele mit diesen Ereignissen eher den Kurfürstendamm verbinden, so Richter-Kotowski, auch an der Schloßstraße nutzten Passanten und Anwohner die Gelegenheit zum Plündern.

Davon betroffen war auch die „Norddeutsche Hutcompagnie Leopold Levy“, die sowohl an der Schloßstraße als auch an der Zehlendorfer Hauptstraße (heute Teltower Damm) eine Filiale hatte. Erstmals stellt eine Ausstellung die Geschichte des Unternehmens dar, das bereits seit 1933 Repressalien und Schikanen ausgesetzt war. Die Nazis nahmen an der Bezeichnung „norddeutsch“ im Namen Anstoß. Sogar der Stürmer, die Hatz- und Propagandazeitung der Nationalsozialisten, griff dies auf. Levy und seine Frau Elsa verkauften ihre Läden an die Deutsche Bank und emigrierten nach Chile.

Die Ausstellung sei in weiten Teilen eine Übernahme einer Ausstellung des Aktiven Museums und des Lehrstuhls für Zeitgeschichte der Humboldt-Universität, berichtete Heike Stange vom Kulturamt, die die Schau betreut. Allerdings stellte man fest, dass keine Geschäfte aus Steglitz und Zehlendorf aufgeführt waren. So recherchierte Stange in der Datenbank der Humboldt-Universität und fand fünf Unternehmen im Bezirk. Zwei werden auf großen Schautafeln dargestellt. Neben der „Norddeutsche Hutcompagnie Leopold Levy“ ist es es das Schuhhausss Münzer, das Eber und Cilly Kraushaar Anfang der 1920er Jahre an der Schloßstraße 98 übernahmen. Das Geschäft florierte, es gab weitere Filialen, unter anderem auch an der Steglitzer Albrechtstraße. Doch der Boykott jüdischer Geschäfte machte sich bemerkbar, bereits 1933 mussten Kraushaars Konkurs anmelden. 1937 verpachten die Unternehmer ihr Geschäft an der Schloßstraße an Erich Schröder. Der wollte aber kaufen und drohte mit seiner Zugehörigkeit zur NSDAP. Kraushaars wurden enteignet. Sie wanderten nach England aus. Ihr eingelagertes Eigentum wurde vom NS-Staat versteigert, der Gewinn einbehalten.

Beide Unternehmen weisen Gemeinsamkeiten auf, so Stange. Sie waren in der Konfektionsbranche tätig, es waren Familienbetriebe, ihre Eigentümer gehörten zur jüdischen Gemeinde und sie flüchteten aus Deutschland.

In Schaukästen weist die Ausstellung aber auch noch auf andere im Bezirk ansässige Firmen hin, etwa das Kaufhaus Moritz Feidt in Steglitz, das 1938 zum Kaufhaus Sommer wurde, und die Parfümfabrik Ludwig Scherks. Zu letzterem habe es aber gerade eine Ausstellung im Jüdischen Museum gegeben und auch der Firma Feidt hatte das Steglitz Museum vor einigen Jahren schon eine Schau gewidmet, so Stange. Sie wollte in der Ausstellung unbekannte Unternehmen vorstellen.

Zeitungsausschnitte, in denen etwa die Firma Lewecke darauf hinweist, dass die Kaufhäuser in Lankwitz und Südende „jetzt in arischem Besitz“ seien, runden die Schau ab.

Übernommen hat Stange aus der Originalausstellung sieben Firmenporträtsss aus ganz Berlin, wie beispielsweise das Fotostudio Yva von Else Ernestine Neuländer, deren Schüler unter anderem Helmut Newton war.

Geöffnet ist die Ausstellung bis 10. Februar 2013 dienstags bis sonntags von 10 bis 18 Uhr, der Eintritt ist frei.

Zur Ausstellung gibt es ein Begleitprogramm. Es beginnt am Dienstag, 4. Dezember, um 19 Uhr mit der Lesung von Manfred Gallus, der aus seinem Buch „Elisabeth Schmitz und ihre Denkschrift gegen die Verfolgung der Juden“ vortragen wird. Am Sonntag, 16. Dezember, um 11.30 Uhr liest Hilde Schramm aus „Meine Lehrerin, Dr. Dora Lux“. „Ausverkauf. Die Vernichtung jüdischer Gewerbetätigkeit in Berlin 1930 – 1945“ heißt das Buch von Christoph Kreutzmüller, aus dem der Autor am Dienstag, 15. Januar, um 20 Uhr lesen wird. Der Gegenwart widmet sich die Lesung von Autorin Andrea Röpke, die ihre Untersuchung „Mädelsache! Frauen in der Neonazi-Szene“ am Dienstag, 29. Januar um 20 Uhr vorstellen wird. Der Eintritt kostet fünf, ermäßigt drei Euro. Karten gibt es an der Abendkasse in der Schwartzschen Villa.

(go)