Weihnachten ist ein christliches Fest, das auch viele Menschen, die sonst nicht an Gott glauben, in die Kirchen führt. Das sind meist katholische oder eine evangelische Kirchen. Im Bezirk Steglitz-Zehlendorf aber gibt es auch noch andere, weniger bekannte und oft auch sehr kleine Gemeinden. In einer fünfteiligen Serie stellen die StadtrandNachrichten einige davon vor. Heute beginnen wir mit den Bahá’í.

In privaten Häusern und in kleinen Gruppen treffen sich die Bahá’í zur Andacht. Hier bei der Familie Amsler-Parsia Parsi (Foto ohne Peter Amsler). Foto: Gogol.

Es ist Freitagabend. Auf dem Wohnzimmertisch der Familie Amsler-Parsia Parsi in der Papageiensiedlung leuchten Kerzen, darum herum haben sich neun Frauen, Männer und Kinder versammelt. Nicht, um Fußball zu schauen oder ein Bierchen zu trinken – sie haben sich getroffen, um gemeinsam zu beten und eine Andacht zu feiern. Sie sind Bahá’í.

Bahá’í sehen sich in der Nachfolge des Judentums, des Christentums und des Islams als jüngste Offenbarungsreligion, erklärt Peter Amsler. Ihr verheißender Messias heißt Bahá’u’lláh. „Für uns gibt es nur einen Gott“, erklärt Amsler. Jede Religion sei göttlichen Ursprungs, ihre Offenbarer seien zu unterschiedlichen Zeiten mit einer bestimmten Sendung beauftragt worden – sei es Moses, Buddha, Krishna, Jesus Christus, Mohammed oder Bahá’u’lláh.

Die Andacht beginnt mit Musik, dann sprechen die Gläubigen nacheinander Gebete, dazwischen gibt es wieder Musik.

Religion ohne Priester

Im Gegensatz zu den meisten anderen Religionen gibt es keine Priester, die das Wort Gottes verkünden. Der Mensch sei mündig, könne lesen und selber denken, erläutert Amsler. Und so gestalten die Gläubigen ihre Andachten selbst, suchen sich Texte und Gebete aus den Schriften Bahá’u’lláhs dafür heraus, aber auch Passagen aus der Bibel und dem Koran. Anschließend diskutieren sie über das Gehörte, teilen ihre Gedanken dazu.

Für die Andachten öffnen Privatleute ihre Häuser. Die Bahá’i sind eine religiöse Minderheit, in Berlin gibt es rund 300 von ihnen, in Steglitz-Zehlendorf sind es 45. Verbreiteter sei die Religion in Indien und Israel, erzählt Amsler. Kirchen gibt es nicht, aber Häuser der Andacht. Das einzige in Deutschland steht in Langenhain bei Frankfurt am Main.

Die Bahá’i sehen die Religionen wie einen Jahreskreis: Im Frühling sind die Religionen noch frisch und stark, bringen neue Ideen und Impulse, im Winter sei der göttliche Impuls verschwunden, Traditionen und Rituale werden wichtiger. Und dann bedürfe es einer neuen Offenbarung.

Der jüngste Offenbarer

Die Bahá’i-Religion befindet sich derzeit im Frühling. 1844 beginnt die Zeitrechnung für sie. In diesem Jahr verkündete Mírzá Ali-Muhammad, der sich „Bab“ – das Tor – nannte, dass er ein Prophet sei, der einem noch größeren Offenbarer vorausgehe. Dieser Offenbarer war Mírza Husayn’Ali – Bahá’u’lláh. Er erklärte 1863 öffentlich, dass er der Messias dieses Zeitalters sei. Dies geschah im Garten Ridvan in der Nähe von Bagdad. Diese zwölf Tage zwischen dem 21. April und 2. Mai, die Bahá’u’lláh dort verbracht, gelten heute als das höchste Fest in der Bahá’i-Religion (Ridvan).

Weil er eine vom Islam unabhängige Religion vertratt, wurde Bahá’u’lláh verfolgt, verbannt und eingesperrt.. Seine Anhänger wurden und werden vielfach von geistlichen und politischen Führern verfolgt und getötet.

Neben dem Ridvan-Fest gibt es auch andere der Religion eigene Feiertage. Am 21. März wird nach einer 19-tägigen Fastenzeit das Neujahrsfest gefeiert und am 12. November die Geburt Bahá’u’lláhs. Und so ist die Geburt Jesus Christus und das damit zusammenhängende Weihnachtsfest weit weniger wichtig für die Bahá’i. Einige feiern es, andere nicht – so wie jeder möchte. Amsler und seine Familie laden dann oft Freunde und Nachbarn ein, die allein sind.

Glaube mit Eigenverantwortung

Für sie gehe es nicht um eine Abgrenzung, erklärt Amsler. Die Bahá’i sehen sich in der Nachfolge des Christentums und des Islams, suchten den Dialog mit anderen Religionen. Auch wenn vielen die Bahá’i unbekannt seien, im interreligiösen Dialog seien sie dies nicht. Sie selbst stünden im Austausch etwa mit der Ernst-Moritz-Arndt-Gemeinde, erzählt Amsler.

Als Student in Mainz habe er die Bahá’i-Religion kennengelernt, erzählt Amsler. Mit 25 Jahren wandte er sich ihr zu. „Mich haben die Lehren angesprochen. Sie sind humanistisch und aufklärerisch“, erzählt der Bahá’i. Jeder hätte die Freiheit, sich mit der Religion nach eigenen Erfahrungen und Anschauungen auseinanderzusetzen. Jeder sei selbst dafür verantwortlich, aktiv zu sein, sich für das Gemeinwohl zu engagieren.

Mehr Informationen zu den Bahá’i gibt es im Internet unter http://berlin.bahai.de oder bei Peter Amsler, Telefon 030 69 81 97 18.

(go)