Die Freie Universität Berlin trauert um den verstorbenen Literaturkritiker Marcel Reich-Ranicki, der 2006 die Ehrendoktorwürde der Hochschule erhalten hatte. Der Präsident der Freien Universität, der Literaturwissenschaftler Professor Dr. Peter-André Alt, betonte: „Marcel Reich-Ranicki, dieser unvergleichliche Leser und sprachmächtige Kritiker, hat trotz seines Schicksals als Verfolgter des Dritten Reichs seine Liebe zur deutschen Literatur immer wieder öffentlich bekräftigt und begründet, wofür wir ihm über seinen Tod hinaus zutiefst dankbar sind.“

Der Fachbereich Philosophie und Geisteswissenschaften hatte Reich-Ranicki im Januar 2006 in Würdigung von dessen langjährigem Engagement für das literarische Leben in Deutschland die Ehrendoktorwürde verliehen. Er habe dies als wortgewaltiger und streitbarer Kritiker über Jahrzehnte maßgeblich bestimmt, hieß es zur Begründung

Marcel Reich-Ranicki wurde 1920 als Sohn einer deutsch-polnischen Familie in Wloclawek an der Weichsel geboren und wuchs in Berlin auf. Nach dem Abitur 1938 stellte er vergeblich einen Immatrikulationsantrag an der Friedrich-Wilhelms-Universität Berlin; wegen seiner jüdischen Herkunft wurde er nicht zum Studium zugelassen. Im Herbst desselben Jahres wurde er verhaftet und nach Polen deportiert. Seit 1940 lebte er im Warschauer Ghetto, aus dem er 1943 gemeinsam mit seiner Frau Teofila fliehen konnte. Seine Eltern und sein Bruder wurden in Auschwitz ermordet.

Von 1951 an betätigte er sich als freier Publizist in Polen. 1958 kehrte er nach Deutschland zurück und lebte in Hamburg und Frankfurt am Main. Er war ständiger Literaturkritiker der Wochenzeitung „Die Zeit“ und leitete  in der „Frankfurter Allgemeine Zeitung“ die Redaktion für Literatur und literarisches Leben. Reich-Ranicki lehrte an Universitäten in Deutschland, Europa und den USA. Außerhalb des Wissenschaftsbetriebs an den Universitäten wurde er als Teil des „Literarischen Quartetts“ bekannt.

Marcel Reich-Ranicki erhielt zahlreiche Auszeichnungen, unter anderem den Thomas-Mann-Preis (1987) und den Goethepreis (2002). Er wurde mit zahlreichen Ehrendoktorwürden ausgezeichnet. Zu seinen erfolgreichsten Büchern zählen „Thomas Mann und die Seinen“ (1987) und „Mein Leben“ (1999).

(sn)