Bernd Borchardt 2019

Als die Terraingesellschaft des Bankiers Adolf Gradenwitz und schlesischen Unternehmers Guido Fürst Henckel von Donnersmarck südlich der Seenplatte von Schlachtensee und Krummer Lanke 1904 die ersten Parzellierungen vornahm – der neue Bahnhof am heutigen Mexikoplatz war soeben fertiggestellt – weidete hier noch das Vieh (Siehe DdM 06.2019).

Max Werner gehört zu den Pionierarchitekten, die in der Limastraße oder am Veronikasteig Mehrfamilienhäuser und Villen errichteten. Doch der Ausbau von Zehlendorf-West geriet mit dem Weltkrieg von 1914-1918 ins Stocken. Viele der schmal zugeschnittenen Grundstücke blieben brach liegen. In einer eiszeitlichen Bruchkante lief das hoch anstehende Grundwasser zusammen, das sich zu einem künstlichen See entwickelte. An dessen Uferlagen entstanden reizvolle Wohn- und Gartenbereiche. Werner baute 1922 an der ehemaligen Grunewaldallee für den jüdischen Fabrikanten Hermann Knobloch auf einem 10.000 Quadratmeter großen Grundstück mit einem enormen Baumbestand und einem sich zu Ufer hin ausbreitenden Hang eine landhausartige Villa mit Wirtschaftsgebäude, Stallungen und Gewächshaus.

Nachdem die Erstbesitzer aus wirtschaftlichen Gründen 1926 verkauft haben, hat das Anwesen bis 1945 mehrfach seine Besitzer gewechselt. Die Reichsschrifttumskammer wollte hier Schulungsheime für Buchhändler errichten, was der Bezirk untersagte. Dann bemühte sich die Reichsröntgenstelle um eine Labor- und Institutsnutzung, was wiederum zugunsten der Wohnqualität des Seengebietes nicht genehmigt wurde. 1942 wurde es zum Dienstsitz des stellvertretenden Präsidenten der Reichsfilmkammer. Ab 1946 nutzte der Bezirk die Immobilie für kulturelle Zwecke. 1953 ging sie schließlich an das Land Berlin über. Der breitgelagerte zweigeschossige Putzbau im englischen Landhausstil unter seinem hoch aufragenden Walmdach und einem vorgerückten Portalrisalit mit firsthoher Giebelbekrönung, eingeschossigem Wintergarten zur Linken und zweigeschossigem Wirtschaftsflügel mit Bediensteten-Wohnungen zur Rechten wurde zu einer Institution der Westberliner Nachkriegsgeschichte: Das Haus am Waldsee.

Wie viele Traditionsstandorte des Musik-, Theater- und Opernlebens befanden sich auch viele wichtige Ausstellungshäuser der Bildenden Kunst im Sowjetsektor des geteilten Berlins. Erst in den späten 1950er Jahren entstanden mit der Deutschen Oper, der Philharmonie, Freien Volksbühne oder der Neuen Nationalgalerie moderne Nachfolgeeinrichtungen auch im Westen Berlins.

Das Zehlendorfer Landhaus von Max Werner hingegen war bis auf das Gewächshaus und den Ostflügel weitestgehend in Takt und wurde 1945 auf Weisung der Alliierten Kommandantur zum Sitz des neu zu gründenden Kunstamtes des Bezirkes. Zuvor hatte sich bereits im Villengarten um den Regisseur Fritz Genschow, Gustav Gründgens, Marianne Hoppe und Ilse Werner die Theater- und Musikszene in „der Freilichtbühne am Waldsee“ etabliert. Darüber hinaus fanden neben Ausstellungen moderner Kunst Konzerte zeitgenössischer klassischer Musik statt. Neben seiner Landschaftslage profitierte das Gebäude dank seiner Holzbalkenkonstruktion einer besonders guten Akustik. Im 1. Obergeschoss residierte zeitweilig das internationale Musikinstitut.

Bernd Borchardt 2019

Der Ausstellungsbetrieb unter seinem ersten Leiter Karl Ludwig Skutsch aber machte das Haus am Waldsee nach dem Krieg zu einem überregionalen Ort internationaler Kunst. Größte Aufmerksamkeit erlebte es 1955 mit der Gastausstellung des Kölner Wallraf-Richartz-Museums und seiner frisch erworbenen Josef Haubrich-Sammlung expressionistischer Malerei.

Mit den Jahrzehnten festigte sich die Zehlendorfer Institution. Doch nach dem Mauerfall und der Wiedererreichbarkeit des Osten Berlins, wo die Kunstszene von nun an dominierte, geriet es in den Schatten. 2004 wurde die Betriebsstruktur reformiert. Aus dem Verein der Freunde und Förderer gründete sich der „Haus am Waldsee e.V.“, der als Trägerverein mit dem Bezirk um regelmäßige Zuwendung verhandelt und als Zuwendungsempfänger verantwortlich zeichnet. Seit 2005 leitet die Kunsthistorikerin Katja Blomberg die Geschicke des Hauses und stellt in Berlin lebende, internationale KünstlerInnen, aber auch innovative Architekturbüros und Designer aus, die Berlin seit den 1990er Jahren wieder zu einer Metropole der Kunst und Kreativität gemacht haben.

Nicht zuletzt aber hat sie sich seit 2008 der Erhaltung und baulichen Weiterentwicklung gewidmet, zunächst in einer denkmalgerechten Sanierung der Gebäudehülle mit der fachlichen Unterstützung des Architekten Walther Grunwald. Dieser folgten 2012 bis 2019 in Zusammenarbeit von Walther Grunwald mit dem Büro West der Wiederaufbau des 1945 zerstörten Ostflügels. Dadurch sind zusätzliche Arbeitsräume, ein Veranstaltungsraum, ein Workshop-Geschoss im Dach, eine Bibliothek sowie neue Depoträume entstanden.

Die kulturelle Nutzung währt nun mit fast 75 Jahren deutlich länger als die ursprüngliche Errichtungsabsicht eines gediegenen Landhaus-Wohnsitzes. Die Bedeutung als Ausstellungs- und Veranstaltungsort der Kunst ist längst in die Bedeutung des Bau und Gartendenkmals Haus am Waldsee hineingewachsen.

Text/ Redaktion: Jörg Rüter
Fotos: Bernd Borchardt 2019