Der Wohnungsmarkt in Berlin ist heiß umkämpft, wer nicht die besten Karten auf der Hand hat – alleinerziehend ist, aus einer Jugendhilfeeinrichtung kommt oder psychische Probleme hat -, hat es schwer eine Wohnung zu finden, vor allem eine, die bezahlbar ist. Deshalb gibt es in Berlin das sogenannte geschützte Marktsegment.

Das geschützte Marktsegment soll unter anderem Menschen, die sich ohne fremde Hilfe nicht mit Wohnraum versorgen können, die aus ambulanten, stationären oder betreuten Einrichtungen oder aus der Haft entlassen werden und denen deshalb Wohnungslosigkeit droht oder die in Notunterkünften leben, die Chance bieten, eine Wohnung zu erhalten und somit in der Gesellschaft Fuß zu fassen.

Ein gutes Instrument, doch um es auch angemessen einsetzen zu könne, braucht es in Berlin mehr Wohnungen im unteren Marktsegment, feste Quoten, deren Nichteinhaltung sanktioniert wird und ein berlinweites Konzept – das ist zumindest das Ergebnis des Werkstattgespräches zum geschützten Marktsegment, zu dem das Wohnraumbündnis Steglitz-Zehlendorf eingeladen hatte.

Die Mitglieder des Abgeordnetenhauses Berlin, Dr. Michael Arndt (SPD), Katrin Schmidberger (Grüne) und Karin Lopmpscher (Linke) sowie die Steglitz-Zehlendorfer Bezirksstadträtin Christa Markl-Vieto (Grüne) waren ins Steglitzer Rathaus gekommen, um gemeinsam mit dem Bündnis und interessierten Bürgern darüber zu diskutieren. Im Publikum saßen viele Vertreter von sozialen Einrichtungen, die aus eigenem Erleben berichten konnten, was Georg Boroviczeny vom Wohnraumbündnis in Zahlen darlegte: Es gibt zu wenige Wohnungen im geschützten Marktsegment.

Mehr Bedarf als Wohnungen

19.050 Menschen suchten monatlich nach einer derartigen Wohnung – 13.050 stehen für sie bereit. In Steglitz-Zehlendorf liege der Bedarf monatlich bei 80 Wohnungen, Tendenz steigend. Doch 2013 seien gerade einmal 62 Mietverträge abgeschlossen worden, 2014 sogar nur 38. Zwei Drittel aller Antragssteller werden außerhalb des Bezirks vermittelt, berichtete Boroviczeny. „Das ist eine langsame Verdrängung“, erklärte er. Junge Menschen aus Jugendhilfeinrichtungen blieben im Durchschnitt elf Monate länger in den Projekten, weil sie keine Wohnung fänden.

Schuld daran sei auch die Vereinbarung zum geschützen Marktsegment, die der Senat mit zwei privaten und sechs öffentlichen Wohnungsbaugesellschaften geschlossen habe, sagte Lompscher. Zwar sind dort Quoten aufgeführt, in welchem Umfang Wohnungen im geschüzten Marktsegment zur Verfügung gestellt werden sollen, doch es fehle an Sanktionen. Deshalb würden die Quoten seit Jahren nicht erfüllt. Das müsse sich ändern.

Zudem müsse der Anteil öffentlicher Wohnungen erhöht werden, um das „schwierige Klientel“ unterzubringen.  Auf dem privaten Wohnungsmarkt sei der Bedarf nicht zu decken, weil die Konkurrenz um die wenigen Wohnungen hoch sei, so Lompscher. Studenten und Menschen mit Wohnberechtigungsschein buhlten mit den Berechtigten für das geschützte Marktsegment um „bezahlbare“ Wohnungen– letztere hätten dabei keine Chance, ergänzte Schmidberger. Um die Zahl der Wohnungen in diesem Segment zu erhöhen, brauche man Kooperationspartner, etwa Wohnungsgenossenschaften, sagte die Grünen-Politikerin. Und vor allem müssten die Wohnungen besser verteilt sein. Bei der degewo lägen 60 Prozent der Wohnungen im geschützten Marktsegment in nur einem Bezirk.

Konzepte vom Senat gefordert

Es müsse sich jemand auf Landesebene finden, der sich dieses Themas annimmt, der Konzepte, Pläne, Strategien entwickle, wie das Problem angegangen werden kann, forderte Markl-Vieto. Denn auf bezirklicher Ebene sei das nicht lösbar. Ein Vorschlag: Vereinbarungen mit Bauherren wie man dies beim Bauprojekt in Lichterfelde-Süd getan habe. Einen ähnlich lautenden Antrag der Piraten-Fraktion der Bezirksverordnetenversammlung war allerdings dort an der Mehrheit von CDU und Grünen gescheitert. „Warum gibt es keine Auflagen für Investoren?“, fragte Markl.Vieto und forderte vom Senat mehr Langsichtigkeit.

Arndt erklärte, dass es auf verschiedenen Ebenen Initiativen zur Erweiterung des geschützten Marktsegments gebe. Das Problem ist der Gegensatz von Sozial- und Wohnungspolitik, die bei diesen Wohnungen zusammengeführt werden müssten.

Ob bei der Verteilung der Wohnungen Quoten definiert oder Prioritäten oder die Wohnungen entsprechend Reihenfolge der Antragseingänge verteilt werden sollte, darüber herrschte Uneinigkeit auf Podium und im Publikum – nur, dass es dringend mehr Wohnungen brauche im geschützten Marktsegment, darüber waren sich alle einig.

(go)