Scharfe-Villa nach denkmalgerechter Dachsanierung

Scharfe-Villa nach denkmalgerechter Dachsanierung

Sanierte Hochzeitsvilla, Foto: Bezirksamt Steglitz-Zehlendorf

 

Das Schmuckstück der Zehlendorfer Dorfaue ist wieder dicht: die Kuppel wurde instandgesetzt und erhielt sogar ihr ursprüngliches Ziergitter zurück.

Am Teltower Damm 10, dem ältesten Gebäude der westlichen Randbebauung der heute stark befahrenen Straße, wurden umfangreiche Dacharbeiten durchgeführt. Wie das Bezirksamt mitteilt, war es „aufgrund von vielfachem Wassereinbruch“ notwendig, die Stahlkuppel mit 190 Glasscheiben sowie die Dachfläche zu sanieren. Im August 2021 wurde mit den Bauarbeiten begonnen, im Dezember 2022 waren sie abgeschlossen. Die Kosten betrugen 300.000 Euro.

 

Historisches Foto der Hochzeitsvilla, Foto: Bezirksamt Steglitz-Zehlendorf

 

Im Zuge der Sanierung wurde bei der Recherche ein historisches Foto des Hauses aus dem Jahr der Fertigstellung entdeckt. Auf dem Foto ist eine fein gearbeitete Dachkrönung zu sehen. Diese wurde daraufhin von den Architekten originalgetreu nachgezeichnet und von der Hofschmiede Dahlem geschmiedet, sodass sie nun wieder das Dach der Villa schmückt.

Im Jahr 1892 wurde das Haus als Wohngebäude für Sidonie Scharfe errichtet. Das Landesdenkmalamt vermerkt in seinem Eintrag: „Das Mansarddach französischer Provenienz und der barockisierende Giebelaufbau über einer an italienische Villen erinnernden Eingangsloggia lassen ein Repräsentationsbedürfnis erkennen, das sich von dem bis dahin üblichen Bauen abhebt.“

 

sanierte Kuppel, Foto: Bezirksamt Steglitz-Zehlendorf

 

Sidonie, „die Frau aus Sidon“, wollte also gesehen werden. Ihr kirchliches Engagement und ihr großzügiges Mäzenatentum zeigen außerdem: die Gutsherrentochter sah sich auch als Gestalterin und Anwältin benachteiligter Gruppen.

Die 1834 geborene Zehlendorferin war Tochter von Andreas Scharfe, Besitzer des Lehnschulzgutes. Sein Erbe ging an seine beiden Töchter über, die sich das beträchtliche Vermögen teilten. Sidonie verschenkte Grundstücke und errichtete Stiftungen, und ihr Wirken lässt Raum für Spekulationen über ihre Haltungen und Ansichten.

 

Kuppel innen, Foto: Bezirksamt Steglitz-Zehlendorf

 

1891 gründete Sidonie Scharfe mit anderen zusammen das Wilhelm-Friedrich-Stift in Zehlendorf, benannt nach den zwei Kaisern aus dem Hause Hohenzollern. Das Lehnswesen, aus dem sich ihr Wohlstand begründete, war also Teil ihres Weltbildes. Ihre Privilegien waren Teil einer Ordnung, die sie nicht in Frage stellte. Ihr Leben widmete sie der Verantwortung, die sich aus ihrer herausragenden Stellung ergab:

Das Stift erbaute in der Fischerhüttenstraße ein Wohngebäude auf dem Grundstück der evangelischen Gemeinde, um verarmten Knechten und Mägden eine Unterkunft zu geben, nachdem in den achtziger Jahren die Landwirtschaft im Raum Zehlendorf aufgegeben worden war, und viele dadurch auf der Straße standen. Sidonie war in der evangelischen Gemeinde als Vorsitzende eines Diakonievereins aktiv und gründete mit anderen den Verein „Haus Schönow“, eine Nervenheilanstalt für bedürftige Kranke. Durch ihr 1907 verfasstes Testament verfügte sie, dass nach ihrem Tod die Sidonie-Scharfe-Stiftung gegründet werde, eine Stiftung für arme Witwen und „alte Mädchen“.

 

Kuppel entglast, Foto: Bezirksamt Steglitz-Zehlendorf

 

Sidonie Scharfes soziale Investitionen wirken bis in die Gegenwart: In den Gebäuden des Wilhelm-Friedrich-Stifts wohnen heute junge, alleinstehende Frauen mit kleinen Kindern. Auf dem Grundstück, das die Mäzenatin der evangelischen Gemeinde schenkte, steht die 1905 erbaute Pauluskirche. Die Sidonie-Scharfe-Stiftung bietet in ihren 1914 und 1926 errichteten Häusern mit 77 Wohnungen älteren Menschen ein Zuhause.

In ihrem Testament ist die Rede von „alten Mädchen“, die „in einer eigenen Wohnung ein selbständiges Leben im Alter“ führen sollen. Möglicherweise waren Sidonie Scharfe nicht nur ihre Privilegien bewusst, sondern auch die Tatsache, dass das im Mittelalter entstandene Lehnswesen für unverheiratete Töchter bestenfalls ein Existenzrecht vorsah. In der Erbfolge wurden grundsätzlich die ältesten Söhne bevorzugt. Für Sidonie war es ein Glück im Zeitalter der beginnenden Moderne erwachsen werden zu dürfen, in der die feudale durch die bürgerliche Gesellschaft abgelöst wurde. Das bürgerliche Gesetzbuch mit seinen Regelungen zum Erbrecht war auf dem Weg und trat am 1. Januar 1900 in Kraft.

 

Ziergitter, Foto: Bezirksamt Steglitz-Zehlendorf

 

Für ihr Engagement wurde Sidonie Scharfe auf Veranlassung von Kaiserin Auguste Victoria mit dem preußischen silbernen Frauen-Verdienstkreuz ausgezeichnet. Sie starb am 21. Juli 1909 und wurde im Familiengrab auf dem Kirchhof an der alten Dorfkirche beigesetzt.

Sidonie blieb unverheiratet und kinderlos. Dass in ihrem repräsentativen Wohnhaus heute standesamtliche Trauungen stattfinden, hätte ihr vielleicht gefallen.

 

Daniela von Treuenfels

 

 

 

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