Unter der Brücke gibt es warme Suppe

Unter der Brücke gibt es warme Suppe

Unter der Tiburtiusbrücke gibt es jeden Dienstag von 17 bis 19 Uhr Suppe, Obst und andere Spenden für Bedürftige.

 

Immer dienstags von 17 bis 19 Uhr hält der Suppenbus von „1892 hilft“ an der Schloßstraße. Gemeinsam mit dem Stadtteilzentrum Steglitz versorgt der Hertha-Fanverein Bedürftige mit gespendeten Lebensmitteln und Getränken.

Pünktlich um 5 Uhr nachmittags stehen die ersten Hungrigen vor dem reich gefüllten Stand des Vereins 1892hilft. Die Zahl steht für das Gründungsjahr des Vereins Hertha BSC. Die Helfer, die das soziale Projekt angeschoben haben, und es begleiten und unterstützen, sind Fußballfans. Genauer: Hertha-Fans und ihre Freunde.

Seit drei Jahren gibt es die Initiative, mittlerweile als eingetragenen gemeinnützigen Verein. Auf verschiedene Weise richtet sich das Tun der Ehrenamtlichen an die Ärmsten der Gesellschaft und speziell an Obdachlose. Die Aktion „1892 Liter Wasser“ startete 2020 und ist die Trinkwasserspende an heißen Sommertagen. „Schlafsackengel“ nennt sich der Reinigungsservice für schmutzige Schlafsäcke.

Die mittlerweile regelmäßige und damit aufwendigste Hilfe ist der Suppenbus. 2022 als monatliche Tour zu den Hotspots Zoo, Alex und Ostbahnhof gestartet, ist daraus eine wöchentliche Rundfahrt an Donnerstagen für die gute Sache geworden. Mit der Aufgabe ist auch der Kreis der Unterstützer und der Freiwilligen gewachsen. 50 Helfer zählt die Initiative heute, die getragen wird von einem Netzwerk aus dem Verein Hertha BSC und einem Dutzend Unternehmen.

Seit 10 Wochen macht der Suppenbus auch in Steglitz Station, das Team kann also heute, an einem ungemütlich kalten Tag Ende April, ein erstes kleines rundes Jubiläum feiern. Im Angebot sind Äpfel, Bananen, Schokolade, vegane Donuts, Brötchen, Kaffee und Tee, Wasser, Duschgel und Desinfektionsmittel. Die Spenden kommen aus einem Supermarkt, einer Konditorei und einer Herthaner-Fankneipe in Friedenau.

Und, na klar, die Suppe: Die kommt, wie immer in Steglitz, vom Kooperationspartner Stadtteilzentrum. Im Gutshaus Lichterfelde hat gegen Mittag Ursula Kersten angefangen, Gemüse zu schneiden, das zuvor von einem weiteren Ehrenamtlichen gewaschen, geschält und geputzt worden ist. Im Topf dampft ein Mix aus roten Linsen, Kartoffeln, Lauch, Sellerie und Karotten. Die Zutaten werden finanziert aus dem Senatsprogramm „Netzwerk der Wärme“.

 

Ursula Kersten kocht jede Woche die Suppe, die dienstags in der Schloßstraße ausgegeben wird.

 

Die Rentnerin engagiert sich seit dem vergangenen Jahr in dem gemeinnützigen Cafébetrieb, in dem selbstgebackene Kuchen, kleine Speisen und eine kleine Auswahl an kalten und warmen Getränken geboten werden.

Seit einiger Zeit bereits gibt es immer donnerstags einen kostenlosen Mittagstisch, meistens eine Suppe. Die Mahlzeit für die Bedürftigen in der Schlossstraße kommt noch dazu. „Ich mache das sehr gerne“, sagt Ursula Kersten, „und ich freue mich, wenn es Leute gibt, denen unsere Mahlzeit schmeckt und hilft.“

Heute hat das Schloßstraßen-Team 43 Portionen ausgegeben, ein neuer Rekord unter der Tiburtiusbrücke. Dass man hier kostenlos essen und trinken kann, hat sich unter den Bedürftigen herumgesprochen. Trotzdem ist jedesmal neben den Spendenverteilenden auch ein mobiles Team unterwegs, um weitere Menschen zu erreichen. Immer wieder gibt es Leute im U-Bahnhof, in den Nebenstraßen, in Hauseingängen oder anderen Unterschlupfen, die nicht ahnen, dass in der Nähe Obst und Tee für sie bereitstehen.

An der Ausgabe steht an diesem Dienstag auch Kirsten, sie ist Erzieherin in der Kita Kiezhopser, einer Einrichtung des Stadtteilzentrums Steglitz. Die Mitarbeiter des sozialen Trägers mit rund 200 Angestellten können sich freiwillig für Helfer-Schichten in eine Liste eintragen. Kirsten hat heute ihren Yogakurs sausen lassen, „um mal zu schauen, wie das hier abläuft“.

 

Die Erzieherin Kirsten macht heute eine neue Erfahrung.

 

Wir erleben zwei Stunden lang eine Welt, die wir sonst nicht wahrnehmen. Einige junge Leute kommen vorbei, in Gruppen zu dritt oder zu viert. Die Mehrheit der Gäste an diesem Tag ist schätzungsweise älter als 50. Alle nehmen die Spenden dankbar an, die meisten auf Abstand, sie wollen erkennbar nicht weiter behelligt werden. Nur wenige suchen Kontakt und ein kurzes Gespräch. Aber sie sind hier, genießen die Suppe, das fühlt sich gut an.

Im Vergleich zur Donnerstags-Suppentour, weiß Marian, kommen in die Schloßstraße viele Rentner. Der Student ist seit Anbeginn dabei und portioniert routiniert die Linsensuppe – ein Brötchen dazu, immer gerne, bitteschön. Warum er das tut? „Das kam durch André“, sagt Marian, und meint damit André Ruschkowsi, Ideengeber und Vorstand des Vereins Herthahilft. Marian hat zunächst mit dem umtriebigen Ruschkowski eine Fußballgruppe angeleitet, dann ist er mit in den Suppenbus gestiegen. „Das macht einfach Spaß“, sagt der Student.

 

Student Marian ist seit Anbeginn meistens bei den Suppentouren des Vereins 1892hilft dabei – weil es ihm Spaß macht.

 

Ohne es zu beabsichtigen hat Marian seinem Vereinsvorstand damit ein exzellentes Zeugnis ausgestellt. Ehrenamtliche Strukturen funktionieren genau so: Eine Person geht voran, in der Regel hat sie einen Spleen, mindestens jedoch eine große Leidenschaft. Eine Mission. Und ein großes Herz.

André Ruschkowski trägt sein Herz auf der Zunge, in seinem runden Bäuchlein und in den Augen. Alles an ihm ist in Bewegung – er holt noch eben die Suppe, klärt Fragen, ist mit dem mobilen Team unterwegs und gedanklich auch schon beim nächsten Schritt: Was hier übrig bleibt, wird zur Stadtmission am Zoo gefahren. Wenn dort der Bedarf gedeckt ist, kommt der Rest in eine Notübernachtungseinrichtung in Schöneberg. Übrig bleibt hier nichts.

Ruschkowski ist Angestellter des Stadtteilzentrums Steglitz – ein „freier Radikaler“, wie er selbst sagt. Tatsächlich kann man sich den energiegeladenen „Selfmade-Sozialarbeiter“ nur schwer hinter einem Schreibtisch in einem gewöhnlichen Büro vorstellen. Eigentlich ist Ruschkowski so etwas wie ein Sozial-Aktivist.

In einem längeren Nachgespräch am Telefon geht es um Familie und Schule und um Systeme, die Menschen durchs Raster fallen lassen. Wir sprechen über Sucht und Isolation und über Versagensgefühle und Ängste, die damit verbunden sind. „Ich kann mit den Leuten auf der Straße auf Augenhöhe reden“, sagt André Ruschkowski. In dem Moment klingt es, als würde dir dein Nachbar erzählen, dass er auf zwei Beinen laufen kann. Ja klar kannst du das, was denn auch sonst.

Die Idee, Suppe an Obdachlose zu verteilen, hat einen traurigen Hintergrund. Jugendliche hatten vor einigen Jahren in Neukölln einen Wohnungslosen angezündet, die Geschichte erschütterte die Stadt. Auch, weil die Täter Ausländer waren. Sozialaktivist Ruschkowski betreute damals Geflüchtete im ehemaligen Flughafengebäude in Tempelhof. Kurzerhand nahm er ein paar Jugendliche an die Hand, die mit ihm gemeinsam Suppe verteilten an Orten, die jene gerne aufsuchen. Meist unangenehme Plätze mit schwierigen Menschen in teils grenzwertigen hygienischen Verhältnissen. Ein Augenöffner für die beteiligten Jugendlichen. Letztendlich hat Corona dem ersten Anlauf ein Ende gesetzt, aber die Idee der Begegnung war in der Welt.

„Es geht um Empathie“, sagt André Ruschkowski, auch der Suppenbus sei im Prinzip ein Instrument der Aufklärung: Öffentlichkeit herstellen, Wirbel machen, um Verständnis werben. Und natürlich: Menschen helfen.

Aber da ist noch die eine wichtigste Sache der Welt. Die Wahrscheinlichkeit, dass die alte Dame Hertha in die zweite Liga absteigt, ist derzeit hoch. Sei’s drum, die Hoffnung stirbt zuletzt. „Wenn wir die Liga halten“, sagt Ruschkowski, „fahre ich den Suppenbus einen Monat lang mit blauen Haaren.“

Das möchte man doch sehen. Viel Glück, Hertha! Wenn der Verein am Ende doch nicht mehr aus dem Keller rauskommt – an den Fans kann es nicht gelegen haben.

Infos und Spendenmöglichkeit:

Spendenkonto

Kontoinhaber: 1892HILFT e.V.
IBAN: DE94430609671291664900

https://1892hilft.de/

 

10 Wochen Suppenbus Steglitz – Das Team der ersten Jubiläumstour: André, Marian und Kirsten.

 

 

Fotos und Text:
Daniela von Treuenfels

 

 

 

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